Besonderer Fund: Auf Mallorca haben Paläontologen die Überreste des wahrscheinlich ältesten bekannten Säugetier-Vorfahren entdeckt. Das Raubtier aus der Gruppe der Gorgonopsier lebte vor über 270 Millionen Jahren und ähnelte einem Husky ohne Fell und Ohren, dafür aber mit Säbelzähnen. Es ist so gut erhalten, dass das Team sogar seine Gangart rekonstruieren und einige gängige Annahmen über die Evolution der Säugetier-Vorfahren prüfen konnte.
Wir Säugetiere sind die letzten Überlebenden einer ungewöhnlichen Tiergruppe: der Therapsiden. Zwar handelte es sich bei ihnen noch um Reptilien, sie besaßen aber bereits vor 260 Millionen Jahren einige säugetierähnliche Merkmale wie ein Loch an den Seiten des Schädels, an dem der Kiefermuskel ansetzt. Einige Therapsiden hatten sogar schon Fell und bauten komplexe Wohnhöhlen.
Ein Urzeit-Raubtier aus Mallorca
Wie unter heutigen Säugetieren gab es auch unter den Therapsiden bereits gefährliche Raubtiere, darunter die hundeähnlichen Gorgonopsier. In den Ökosystemen, in denen sie lebten, waren sie meist die Top-Prädatoren. Die bislang bekannten Gorgonopsier-Überreste stammen dabei vor allem aus hohen Breitengraden wie Russland oder Südafrika. Man ging daher lange davon aus, dass in diesen Regionen auch der Ursprung der Gruppe liegt.
Doch nun haben Paläotologen um Rafel Matamales-Andreu vom Museum für Naturwissenschaften der Balearen erstmals auch auf der Mittelmeerinsel Mallorca, im Gebirgszug Serra de Tramuntana, die versteinerten Knochen eines Gorgonopsiers freigelegt. „Wir haben alles gefunden, von Schädelfragmenten, Wirbeln und Rippen bis hin zu einem sehr gut erhaltenen Oberschenkelknochen. Als wir mit der Ausgrabung begannen, hätten wir nie gedacht, dass wir auf Mallorca so viele Überreste eines Tieres dieser Art finden würden“, berichtet Matamales-Andreu.
Ein nackter Husky mit Säbelzähnen
Anhand der Knochen konnte das Team rekonstruieren, wie der rund einen Meter lange Gorgonopsier einst aussah und lebte. „Wenn Sie dieses Tier auf der Straße sehen würden, würde es ein wenig wie ein mittelgroßer Hund aussehen, vielleicht in der Größe eines Huskys. Aber es hatte kein Fell und auch keine hundeähnlichen Ohren“, berichtet Koautor Ken Angielczyk vom Field Museum in Chicago. Am ikonischsten waren aber wahrscheinlich die langen, klingenartigen Eckzähne des „nackten Huskys“.
Wie eine Datierung ergab, ist das mallorquinische Exemplar über 270 Millionen Jahre alt. Es ist damit der älteste bekannte Angehörige der Gorgonopsier und sehr wahrscheinlich sogar der älteste bekannte Säugetier-Vorfahre überhaupt. „Die Entdeckung dieses neuen Fossils ist ein weiteres Teil des Puzzles, wie sich Säugetiere entwickelt haben“, betont Angielczyk.
Der Weg vom Reptil zum Säugetier zeigte sich auch an der Gangart des noch namenlosen Gorgonopsiers, wie die Analyse eines fast vollständigen Beins dem Team verriet. Im Gegensatz zu Reptilien, die sich eher mit gespreizten Beinen fortbewegen, waren die Beine des mallorquinischen Räubers demnach eher vertikal angeordnet und bewegten sich dadurch auf eine Art und Weise, die zwischen der von Reptilien und Säugetieren lag. Diese Fortbewegungsart war den Forschenden zufolge beim Gehen und vor allem beim Laufen deutlich effizienter als der typische „Echsengang“.
Lebensraum war vom Monsun geprägt
Als der Gorgonopsier vor über 270 Millionen Jahren über Mallorca stapfte, war es allerdings noch keine eigene Insel, sondern Teil des Superkontinents Pangäa. Es lag auf dem äquatorialen Breitengrad, auf dem sich heute Länder wie der Kongo oder Guinea befinden. Das Klima war geprägt vom Monsun und wechselte zwischen feuchten und sehr trockenen Jahreszeiten, wie die Paläontologen erklären.
Der Gorgonopsier lebte dabei wahrscheinlich in einem Überschwemmungsgebiet mit vorübergehend bestehenden Tümpeln. Er teilte sich diesen tropischen Lebensraum unter anderem mit pflanzenfressenden Moradisauriern wie dem Tramuntanasaurus tiai, der möglicherweise auf dem Speiseplan des Raubtieres stand.
Lag der Ursprung der Therapsiden woanders?
Da der Gorgonopsier aus Mallorca deutlich älter als seine Verwandten aus höheren Breitengraden ist, halten Matamales-Andreu und sein Team es für möglich, dass der Ursprung der Therapsiden vielleicht doch in niedrigen, tropischen Breiten liegt – in der Gegend, in der damals auch Mallorca lag. Die Geburtsstunde dieser Säugetier-Vorfahren könnte einer Simulation zufolge außerdem bereits vor bis zu 283 Millionen Jahren stattgefunden haben.
Über eine gerade einmal zehn Millionen Jahre andauernde Zeitspanne vor 278 bis 268 Millionen Jahren hinweg wären demnach viele Hauptgruppen der Therapsiden entstanden. Wahrscheinlich kam diesen Urzeit-Reptilien dabei auch ein Aussterbeereignis vor rund 273 Millionen Jahren entgegen, wie die Paläontologen erklären. Dabei verschwanden zahlreiche landbewohnende Reptilien und gaben in der Folge ökologische Nischen für die Therapsiden frei. (Nature Communications, 2024; doi: 10.1038/s41467-024-54425-5)
Quelle: Institut Català de Paleontologia Miquel Crusafont, Field Museum